Contents
Über gemeinsames Sorgerecht wird viel geschrieben, diskutiert und geklagt. Hier bestimmen manche Fehlannahmen und Missverständnisse die Diskussion. Vielen Eltern ist etwa nicht bekannt, dass das gemeinsame Sorgerecht bei verheirateten Ehepartnern heute der Regelfall ist. Ebenso, dass unverheiratete Eltern eine gemeinsame Sorge beantragen können. Auch zur Frage, wie man im Alltag das gemeinsame Sorgerecht ausüben kann und muss, ergeben sich manche Zweifel. Insbesondere bei Trennung und Scheidung kommt dem Thema Sorgerecht große Bedeutung zu. Dabei sind finanzielle Gesichtspunkte wichtig. Müssen Eltern wirklich alles gemeinsam entscheiden, wenn das Sorgerecht gemeinsam ausgeübt wird? In welchen Fällen kann es besser sein, im Sinne des Kindeswohls das alleinige Sorgerecht auf einen Elternteil zu übertragen? Wir geben Ihnen in diesem Beitrag einen Überblick über gemeinsames Sorgerecht und betrachten die Thematik von verschiedenen Seiten.
Verheirateten Eltern steht für Kinder aus der Ehe automatisch die gemeinsame elterliche Sorge zu. Sie haben nach dem Willen des Gesetzes die elterliche Sorge zum Wohle des Kindes auszuüben und in Konfliktfällen eine Einigung anzustreben. Gewisse Entscheidungsspielräume für jeden einzelnen Elternteil verbleiben in den Angelegenheiten des Alltags. Bei gewichtigen Angelegenheiten müssen die Eltern gemeinsam entscheiden.
Das Gesetz positioniert sich beim gemeinsamen Sorgerecht in § 1627 BGB deutlich: Eltern haben das Sorgerecht in eigener Verantwortung sowie in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten sollen sie sich einigen. Regelmäßig steht den Eltern mit der Eheschließung das Sorgerecht für Kinder gemeinsam zu. Bei Eltern, die nicht verheiratet sind, hat die Mutter das alleinige Sorgerecht. Unter dem Begriff Sorgerecht wird die Sorge für das Kind im Sinne der Personensorge und für das Vermögen des Kindes mit der Vermögenssorge zusammengefasst. Deshalb geht es in der Praxis um eine Vielzahl größerer und kleinerer Entscheidungen, die für das Leben des Kindes maßgeblich sind. Relevant sind hier etwa Entscheidungen zu Schule, Ausbildung, zum Aufenthalt des Kindes, zum Umgang des Kindes und zu vielen weiteren Fragen.
Eine Trennung/Scheidung ändert zunächst nichts am gemeinsamen Sorgerecht. Jeder Elternteil kann unter bestimmten Voraussetzungen in diesem Fall das alleinige Sorgerecht beantragen.
Eltern fragen oft danach, welche Rechte und Pflichten sie konkret mit dem gemeinsamen Sorgerecht haben. Dabei herrscht die Idee vor, man müsse wirklich jede Entscheidung des täglichen Lebens gemeinsam treffen. Tatsächlich behalten Eltern auch bei einem gemeinsamen Sorgerecht eine gewisse Autonomie bei der Ausübung der Erziehungsangelegenheiten. Sie können in der Erziehung der Kinder eigene Akzente setzen. Geht es jedoch um Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung rund um das Kind, hat der andere Elternteil ein Veto- und Widerspruchsrecht. Sorgerechtsfragen führen deshalb nicht selten vor das Familiengericht. Insbesondere bei Trennung und Scheidung treten die widerstreitenden Interessen der Elternteile deutlicher hervor, sodass es immer schwieriger werden kann, sich zum Wohle des Kindes zu einigen.
Grundsätzlich gilt Folgendes: Typische Angelegenheiten des täglichen Lebens kann ein Elternteil allein entscheiden, bei den relevanten Lebensentscheidungen müssen beide nach Auffassung des Gesetzgebers eine einvernehmliche Regelung anstreben. Gemeinsame Sorge heißt auch, dass beide Elternteile mit ihren Rechten und Pflichten gleichberechtigt sind. Bei Gefahr im Verzug kann ein Elternteil gewichtige Entscheidungen allein treffen. Dabei muss aber mit Blick auf die gemeinsame elterliche Sorge der andere Elternteil unverzüglich darüber unterrichtet werden.
Wie wir gesehen haben, geht es um die Personensorge und die Vermögenssorge. Dahinter verbergen sich Entscheidungen in den verschiedensten Lebensbereichen. Ein wichtiger Teil der Personensorge ist etwa das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Es birgt ein hohes Konfliktpotenzial zwischen Eltern, die infolge von Trennung und Scheidung eigene Lebensmittelpunkte haben.
Während Entscheidungen zum schulischen Alltag in den Bereich fallen, den ein Elternteil im Rahmen seiner eigenen Erziehungsberechtigung allein entscheiden kann, gehören grundsätzliche Entscheidungen bei Ausbildung und Schule zu den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Hier müssen Eltern versuchen, sich zu einigen. Ein Elternteil kann Entscheidungen eines anderen Elternteils mit seinem Veto- und Widerspruchsrecht angreifen und blockieren.
Aktivitäten wie Reisen und Urlaub in der Ferienzeit lösen häufig Konflikte aus, wenn Eltern getrennt leben. Grundsätzliche Entscheidungen zur Gestaltung der Ferienzeit und zu Reisen haben eine erhebliche Bedeutung. Auch dabei haben die Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht eine Übereinstimmung zu erzielen. Manche Eltern verstehen ihr Veto- und Widerspruchsrecht in solchen Angelegenheiten derart, dass sie auch grundlos bestimmte Entscheidungen des anderen Elternteils infrage stellen können.
Gemeinsame Sorge heißt aber auch, dass jeder Elternteil alles zu unterlassen hat, was die Beziehung des anderen Elternteils zum Kind stört. Das Kindeswohl steht über allem. Im Ernstfall kann das Familiengericht angerufen werden, um ein Elternteil zu rechtskonformen Verhalten anzuhalten. Entscheidungen über Urlaube und Auslandsaufenthalte haben nicht zuletzt eine hohe Brisanz, weil in manchen Fällen eine Gefährdung des Kindes nicht auszuschließen ist. Das kann dann der Fall sein, wenn ein Elternteil einen ausländischen Hintergrund hat und das Kind in eine Umgebung bringen will, von der Gefahr ausgeht. Hier hört man auch immer wieder von Fällen, bei denen ein Elternteil das Kind ins Ausland verbringt und nicht mehr zurückkehrt. Sie sollten sich im Zweifel mit einem erfahrenen Anwalt für Familienrecht beraten, wenn es zu diesem Thema Schwierigkeiten bei der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts gibt.
Wenn Eltern verheiratet sind, müssen sie nichts tun, um gemeinsam sorgeberechtigt zu sein. Das gemeinsame Sorgerecht ist der gesetzliche Regelfall für gemeinsame Kinder in der Ehe. Sind dagegen Eltern nicht verheiratet, steht die elterliche Sorge der Mutter allein zu. Hier kann gemeinsame Sorge auf Antrag möglich sein. Schwieriger wird es, wenn sich die unverheirateten Eltern über diese Frage nicht einig sind.
Wer die elterliche Sorge hat, hat auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht kann als Teilbereich der elterlichen Sorge auf einen Elternteil übertragen werden. Dabei können die anderen Teilbereiche weiterhin bei beiden Elternteilen verbleiben (Dies gilt für alle Teilbereiche bzw. „Angelegenheiten von besonderer Bedeutung“). Daraus folgt beim gemeinsamen Sorgerecht, dass beide Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht haben. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht gehört zu den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Regelmäßig können Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht nur gemeinsam darüber entscheiden, wo ein Kind sich wie lange aufhalten und wo es wohnen darf. Gemeinsame Sorge heißt für das Aufenthaltsbestimmungsrecht, dass beide Eltern zu einer Einigung kommen müssen. Damit wirkt sich gemeinsames Sorgerecht zum Beispiel auf einen Umzug aus, den vielleicht nur das eine Elternteil will.
Grundsätzlich sind beide Elternteile dem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Eine gemeinsame Sorge hat zunächst keinen Einfluss auf die Unterhaltsfrage. Wer Unterhalt in bar zu leisten hat, hängt wesentlich davon ab, bei welchem Elternteil das Kind wohnt und seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Haben sich Eltern hier für ein Wechselmodell entschieden, bei dem das Kind abwechselnd bei dem einen und dem anderen Elternteil wohnt, stellt sich die Frage nach den Unterhaltspflichten. Beim Wechselmodell erbringen im Idealfall beide Elternteile Betreuungsleistungen im gleichen Umfang. Die Berechnung von Unterhaltszahlungen kann in diesem Fall komplex sein. Der Gesetzgeber hatte ursprünglich das sogenannte Residenzmodell vor Augen, bei dem das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil wohnt und von diesem betreut wird.
Suchen Sie sich unbedingt bei einem geplanten Wechsel- oder Pendelmodell zur Frage der Unterhaltszahlungen Unterstützung bei einem Familienrechtsanwalt. Da grundsätzlich beide Elternteile unterhaltspflichtig sind, erfolgt die Berechnung der von den einzelnen Elternteilen zu zahlenden Geldbeträge in einem schrittweisen Verfahren. Dabei werden unter anderem die beiden Einkommen der Eltern berücksichtigt, die jeweiligen Selbstbehalte, das Kindergeld einbezogen und ein mit dem Wechselmodell verbundener Mehraufwand.
Gemeinsames Sorgerecht und finanzielle Nachteile sind im Rahmen eines Wechselmodells nicht auszuschließen. Die Entscheidung für dieses Modell sollte deshalb überlegt sein und im Idealfall erst nach anwaltlicher Beratung der Beteiligten erfolgen.
Zwar ist das Umgangsrecht im Kontext der elterlichen Sorge im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, es wird aber unabhängig von der elterlichen Sorge ausgeübt. Jeder Elternteil hat ein Recht und eine Pflicht zum Umgang mit dem Kind. Das folgt daraus, dass das Kind ein Recht auf den Umgang mit jedem Elternteil hat.
Ein Recht auf Umgang besteht deshalb auch unabhängig davon, ob der Elternteil mit dem anderen Elternteil gemeinsam das Sorgerecht innehat oder nicht. In der Praxis führt das Umgangsrecht des Elternteils, der nicht dauernd mit dem Kind lebt, in Trennungsfamilien immer wieder zu Konflikten. Verweigert ein Elternteil den Umgang, kann der andere das Familiengericht anrufen. Wer grundlos den Umgang des anderen Elternteils unterläuft, verstößt auch gegen die Grundprinzipien der elterlichen Sorge. Eine Umgangsverweigerung entspricht nicht dem Kindeswohl.
In intakten Familien kommt es bei der Ausübung eines gemeinsamen Sorgerechts weniger häufig zu Konflikten als in Trennungsfamilien. Dennoch sind Auseinandersetzungen über sorgerechtliche Fragen in jeder familienrechtlichen Konstellation denkbar.
Bei den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung kann es schnell zu massiven Konfliktsituationen innerhalb der Familie kommen. Werden sich Eltern etwa darüber nicht einig, welche Schule ein Kind besuchen soll oder welche Gesundheitsbehandlung die richtige ist, können häufig nur noch objektive Dritte eine Lösung herbeiführen. Das Veto- und Widerspruchsrecht des einen Beteiligen führt sonst dazu, dass in manchen Angelegenheiten überhaupt keine Entscheidung mehr möglich ist. Dieser Stillstand ist nicht im Sinne des Kindes. Bei den kleinen Entscheidungen des Alltags ergänzen sich die meisten Eltern, auch wenn sie marginal abweichende Erziehungsvorstellungen haben. Kleine Abweichungen stehen hier nicht im Widerspruch zum Kindeswohl. Das Kind lernt auf diese Weise, unterschiedliche Ansichten und Einstellungen kennen.
Grundsätzlich können Konflikte zu jeder Frage entstehen. Nicht alle haben so gravierende Konsequenzen, wie Auseinandersetzungen über Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Der Widerspruch des einen Elternteils kann im Zweifelsfall wie beschrieben zu einer Entscheidungsunfähigkeit führen.
Geht es um Streitigkeiten über kleinere Angelegenheiten des Alltags, kann dies zwar die Beziehung zwischen den Eltern belasten, hat aber keine weiteren Konsequenzen. Hier kann etwa ein Elternteil dem Kind ein wenig mehr Taschengeld zubilligen als das andere. Eltern müssen diese Entscheidungsfreiheit des anderen Elternteils im Rahmen des gemeinsamen Sorgerechts hinnehmen. Gemeinsames Sorgerecht steht auch für die gegenseitige Informationspflicht. Können Eltern insgesamt nicht mehr über die elterliche Sorge sprechen, kann eine gemeinsame elterliche Sorge an ihre Grenzen kommen. In solchen Fällen, speziell in einer Trennungssituation, kann es besser sein, einem Elternteil die elterliche Sorge zu übertragen.
Da bei unverheirateten Paaren das Sorgerecht der Mutter allein zusteht, kommt es häufig zu dieser Situation: Der Vater will das gemeinsame Sorgerecht, die Mutter nicht. Zwar ist die gemeinsame elterliche Sorge auch für unverheiratete Elternteile möglich, aber im Regelfall müssen dann beide Beteiligte eine gemeinsame Erklärung abgeben. Auf ein Zusammenleben kommt es dabei nicht an. Die Eltern müssen auch keine spätere Heirat anstreben. Es ist sogar möglich, dass sie mit anderen Partnern verheiratet sind. Wird ein Kind unehelich geboren, wobei die Kindesmutter verheiratet ist, gilt der Ehegatte der Mutter zunächst als gesetzlicher Vater. Hier kann über eine Vaterschaftsanfechtung eine Änderung herbeigeführt werden. Die Sorgerechtsfrage ist davon unabhängig. Lenkt die Mutter nicht ein, kann der Vater beim Familiengericht die gemeinsame elterliche Sorge beantragen. Man spricht dann auch davon, dass er die Mitsorge beantragt.
Im Kontext der elterlichen Sorge und der gemeinsamen Ausübung entstehen viele Rechtsfragen und Konfliktpunkte. Insbesondere bei Trennung und Scheidung, aber auch in anderen Familienkonstellationen empfiehlt sich im Zweifel kompetente anwaltliche Beratung. Vornehmlich sollten Sie einen Anwalt hinzuziehen, wenn Sie gemeinsames Sorgerecht beantragen möchten oder in anderen Fragen der elterlichen Sorge das Familiengericht einbinden müssen. Vereinbaren Sie jetzt einen Gesprächstermin bei Ihrem Familienrechtsanwalt!
Nachdem Rechtsanwalt Markus Büttgenbach sein Studium der Rechtswissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität absolvierte, tätigte er sein Referendariat im Bereich des Oberlandesgericht Köln.
Im Zuge seiner offiziellen Zulassung als Rechtsanwalt ist er seit 2017 an sämtlichen Amts-, Landes- und Oberlandesgerichten vertretungsberechtigt. Aufgrund seines erfolgreichen Abschlusses von Fachanwaltslehrgängen sowie seinen jährlichen Teilnahmen an zahlreichen Fortbildungen hat sich Markus Büttgenbach als Spezialist für Familien-, Verkehrs- sowie Vertragsrecht einen namhaften Ruf erarbeitet.